Ein Erfahrungsbericht: Als Bestatter im Erdbebengebiet aktiv

Fabian Lenzen, Mitglied im Rotary Club Berlin-Checkpoint Charlie, hat uns einen Bericht über einen ganz besonderen Hilfseinsatz im türkischen Erdbebengebiet zukommen lassen. Er war mit zahlreichen Helfern dort als Bestatter ehrenamtlich im Einsatz. Gemeinsam mit vielen anderen Bestattern aus ganz Deutschland ist er Mitglied im humanitären Verein Deathcare. Ein Verein, der vor allem auch von Spenden lebt.

Fabian Lenzen schreibt: “Mit einem weltweit einzigartigen Hilfsangebot unterstützten die Ehrenamtlichen unter anderem bei der Bergung von Verstorbenen. Zu den Hilfsleistungen von Deathcare gehören darüber hinaus zum Beispiel auch die Unterstützung bei der Identifikation, das Desinfizieren der Opfer sowie die hygienische Beratung und Begleitung der Helfer. So können nicht nur die Verstorbenen im Katastrophengebiet fachmännisch und kompetent versorgt werden – durch die ehrenamtliche Tätigkeit der deutschen Bestatter werden auch andere Hilfsorganisationen vor Ort psychisch und physisch entlastet. Mit dieser Arbeit in Katastrophengebieten erbringt der Verein unentgeltlich humanitäre Hilfe im In- und Ausland. Als Bestatter sind die Experten mit den Themen Tod und Trauer aus Ihrem täglichen Arbeitsalltag vertraut. Neben Bestattern sind auch Mediziner, Forensiker und Psychologen unserem Verein angeschlossen.

In Folge des schweren Erdbebens im Grenzgebiet zwischen der Türkei und Syrien bot der Verein seine Hilfe an und wurde ab dem 10. Februar mit einem ersten Team in die Stadt Kahramanmaraş im südlichen Teil Anatoliens entsandt. Der Schwerpunkt der Arbeit lag bei diesem Einsatz in der Bergung der verschütteten Opfer sowie in der Unterstützung der örtlichen Staatsanwaltschaft und Polizei bei der Identifikation sowie der anschließenden Desinfektion der Verstorbenen. Dies sind Maßnahmen, die einerseits das Ausbrechen von Seuchen verhindern sollen, andererseits schafft das Identifizieren die wenngleich traurige Gewissheit, wer die verstorbene Person war. So ist es den Hinterbliebenen in der Erdbebenregion ein großes Anliegen, die Möglichkeit zu haben, ihre Angehörigen zu bestatten. Überall in der Stadt waren sie, dort wo noch vermisste Personen vermutet wurden, anzutreffen.

Das erste Team wurde nach gut einer Woche im Einsatz abgelöst. Weitere Mitglieder von Deathcare haben unter der Regie von Teamleiter René Strawinski, einem rotarischen Freund vom Rotary Club Havelberg (Distrikt 1800), die wichtigen Aufgaben übernommen. Auch ich hatte die Möglichkeit in dieser Gruppe mitzuwirken. Nach einer weiteren Woche Hilfseinsatz beendete auch das zweite Team die Arbeit, nachdem die gezielte Suche nach lebenden wie auch verstorbenen Vermissten im Einsatzgebiet von offizieller Seite eingestellt worden war und auch die Identifikationsstelle, in der wir mitwirken konnten, ihre Arbeit eingestellt hat.

Fabian Lenzen bei seinem Einsatz in der Türkei.

Nächtliche Einsätze und nur wenige Stunden Schlaf wurden durch ein übergroßes Maß an Herzlichkeit, Dankbarkeit und Wertschätzung der Menschen vor Ort belohnt. Auch wenn die Anzahl der Verstorbenen, die wir begleiten konnten, auf rund 2000 Menschen geschätzt wird, wird vor dem Hintergrund des Ausmaßes der Zerstörung und des Leids, das diese Naturkatastrophe über die dortige Bevölkerung gebracht hat, die geleistete Hilfe immer überschaubar bleiben. Aber vielleicht ist es die Summe der Beiträge sehr vieler Menschen und Organisationen, die gemeinsam einen Unterschied machen können. Die Gedanken an den Einsatz, an das Erlebte aber auch an die vielen, dennoch sehr positiven Begegnungen, werden mich gewiss noch lange begleiten.

Unser Verein Deathcare finanziert sich übrigens ausschließlich aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden. Wer mehr über den Verein erfahren oder diesen finanziell unterstützen möchte, findet die nötigen Informationen hier: www.deathcare.de”

Text und Fotos: Dr.-Ing. Fabian Lenzen, Rotary Club Berlin–Checkpoint Charlie

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